Erfahrungen mit der Alkohol-MPU: Ein Beispiel

Im Folgenden findest du eine Beispielgeschichte für eine Alkohol-MPU. Vor deiner MPU solltest du deine eigene persönliche Geschichte auswendig kennen und jederzeit jedermann erzählen können, denn im Endeffekt wirst du dem Psychologen in der MPU deine Geschichte genau so erzählen. An den dicken Überschriften erkennst du anhand der Ziffer, in welchem Kapitel die Aspekte detailliert besprochen werden. Grau unterlegt sind typische Fragen von Verkehrspsychologen in der MPU. In Klammern schraffiert findest du Anmerkungen, welche Teile der Antwort besonders wichtig sind und warum.

Proband /Trunkenheitsfahrer: Männlich, 29 Jahre, 114kg, 2,4 Promille, erwischt auf dem Fahrrad.

  1. Was war früher?

Wissen sie warum sie hier sind?

Um die begründeten Zweifel an meiner Fahruntauglichkeit zu beseitigen.

[Diese Frage wird immer gestellt. Darauf gibt es diese eine perfekte Antwort.]

Begründete Zweifel? Warum gab es die denn?

Weil ich betrunken / bekifft / auf Droge ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt habe. Damit habe ich nicht nur mich, sondern auch andere Personen gefährdet. Ich bin froh, niemanden verletzt zu haben, aber begründet waren die Zweifel allemal.

[Hier sammelst du direkt doppelt Pluspunkte: Du zeigst deine Einsicht und Reue. Außerdem zeigst du, dass du dich mit der Trunkenheitsfahrt und den möglichen Konsequenzen auseinandergesetzt hast. Zudem gibst du zu, dass die Zweifel berechtigt waren – du hast also akzeptiert und eingesehen, dass dein damaliges Verhalten falsch war. Das ist notwendig, um die MPU zu bestehen.]

Wann haben Sie denn das erste Mal getrunken?

Mit meinem Bruder das erste Bier, mit 16 bin ich mit in die Kneipe / Club gegangen. Da habe ich drei kleine Bier getrunken, die haben mir aber nicht wirklich geschmeckt. Trinken war für mich aber auch nicht wirklich attraktiv – denn ich habe hoch Handball gespielt. Trinken war im Team einfach nicht so in. Meine anderen Freunde waren zwar regelmäßig „saufen“ – das war für mich aber auch auf Grund der Ausbildung zum Bäcker gar nicht möglich, da ich einen anderen Rhythmus hatte. Oft sind die Kumpels dann noch betrunken zu mir in die Bäckerei gekommen – das war lustig, hat mich aber eher abgeschreckt. Das enthemmte, unangebrachte Verhalten war mir oft unangenehm.

[Es wird deutlich, dass der problematische Konsum nicht schon im frühen jugendlichen Alter begonnen hat. Außerdem wird präzise geantwortet – Dem Psychologen muss deutlich werden, dass man sich mit der Frage intensiv auseinandergesetzt hat]

Und danach: Wie wann, wo und mit wem? Und wie viele? Was wurde getrunken? Konsumieren sie auch andere Drogen?

Das ging so während der Ausbildung weiter. Also während der Ausbildung eigentlich gar nicht getrunken. Ab und zu habe ich auch mal ein Feierabendbier getrunken, oder beim Grillen ein Bier mit meinem Vater. Nie bis zur Trunkenheit, evtl. mal einen leichten Schwips. Andere Drogen habe ich nie konsumiert.

[Hier wird verdeutlicht, dass in der Jugend kein problematisches Konsummuster vorlag. Außerdem wird erklärt, keine Erfahrungen mit anderen Drogen zu haben. Das ist, sofern keine das Gegenteil beweisenden Akten vorliegen, empfehlenswert!]

Mit 18 hatte ich die Ausbildung fertig und ging zur Bundeswehr. Dort habe ich meine Hemmschwelle zum Alkohol leider stark abgebaut, wir sind regelmäßig Trinken gegangen. So 6-8 kleine Bier 1-2 Mal die Woche. Manchmal auch dreimal. Beim Bund wurde viel und häufig getrunken. Hauptsächlich Bier, da kam auch ab und zu ein Jägermeister dazu. In Erinnerung geblieben ist mir noch der Dienstag – da gabs im „B54“ für Soldaten alles zum halben Preis. Rückblickend betrachtet habe ich damals das erste Mal einen problematisches Konsumverhalten an den Tag gelegt.

[Es wird nachvollziehbar aufgezeigt, wie sich der Alkoholkonsum gesteigert und verändert hat – bis hin zur Bewertung „problematisches Konsumverhalten“.]

Ich war der einzige mit „nur“ einem Hauptschulabschluss, die anderen hatten Abitur.  Es fiel mir sehr schwer nein zu sagen – durch Alkohol konnte ich mich auch profilieren. Ich war größer und kräftiger und konnte mehr vertragen – das hat mir einen gewissen Respekt eingebracht. Außerdem habe ich „betrunken“ vergessen, dass ich mich den anderen gewissermaßen unterlegen fühle. Ich war selbstbewusster.

[Hier wird näher auf die Problematik eingegangen. Der Probeband hat sich unterlegen, minderwertig gefühlt. Durch den Alkohol war er selbstbewusster und konnte sich vor den Kameraden profilieren. Der Proband zeigt dem Psychologen mit diesen Aussagen, dass er verstanden hat, wie er Alkohol benutzt hat, um negative Gefühle zu betäuben]

Nach der Grundausbildung war ich erst mal eine Zeit arbeitslos. Manchmal habe ich am Wochenende mit Freunden etwas Getrunken, Schnaps hat mir zu der Zeit immer noch nicht wirklich geschmeckt. Dann habe ich 1.5 Jahre als Kurier gearbeitet – das bedeutet nachts um vier aufstehen. Unter der Woche habe ich garnichts getrunken und auch am Wochenende sehr, sehr selten. Außerdem habe ich in der Zeit mein Abitur nachgeholt und angefangen zu studieren.

[Proband erzählt frei, offen und ungehemmt aus seiner Vergangenheit]

Im Sommer 2013 habe ich dann meine Hodenkrebsdiagnose erhalten – ausgerechnet am Geburtstag meiner Mutter. Die Stimmung war dementsprechend voll im Eimer. Vier Tage später wurde ich bereits operiert – mit 25 Jahren ein scheiß Gefühl, die Intimität der Krankheit, die damit verbundenen Sorgen jemals noch Frauen anzusprechen, evtl. keine Kinder mehr zeugen zu können, oder zu sterben. Und ich habe mit niemandem darüber geredet. Besonders schrecklich ist die Erinnerung an meine weinende Mutter, nachdem ich von der Diagnose erzählt habe. In den zwei Folgejahren musste ich regelmäßig zur Nachuntersuchung. Blutproben alle 1-2 Monate, MRT, Ultraschall. Die Erfahrungen aus dem Untersuchungszimmer… Einmal saß dort ein 12 jähriges Mädchen mit Glatze. Diese Zeit hat mir sehr zugesetzt, im Oktober habe ich sogar mein Studium abgebrochen. In der Zeit habe ich auch immer häufiger getrunken. 2-3x die Woche, über die Nacht verteilt 12 kleine Bier, hin und wieder einen Shot, oder einen Longdrink. Mittwochs und Samstags waren wir eigentlich immer raus.

[Hier erläutert der Proband, wie sich das problematische Konsummuster einschleichen konnte: Zum einen der äußere Grund „Krankheit“, also die Krebsdiagnose, die damit verbunden Ängste und Sorgen. Zum anderen kamen andere Umstände dazu, der Stress, die Angst, der Misserfolg im Studium. Es wird erläutert, dass häufiger und mehr getrunken wurde, und sich das Pensum steigerte.]

Im Sommer 2015 habe ich dann ein neues Studium angefangen: Soziale Arbeit. Da gab es die erste fachliche Auseinandersetzung mit der Thematik: Seminare zu Sucht, zu Drogen. Das hat den Anstoß gegeben meinen eigenen Konsum zu hinterfragen. Hinzu kam Ende des Jahres die Diagnose Krebsfrei. Damit verbunden war ein absehbares Ende der Nachuntersuchungen.

[Es ist wichtig zu betonen, dass du einen AHA-Moment hattest. Das kann deine Trunkenheitsfahrt gewesen sein, das kann deine MPU Vorbereitung gewesen sein, oder, wie hier im Beispiel ein glücklicher Zufall.]

2. Was war am Tag der Trunkenheitsfahrt?

Wir haben ein Auswärtsspiel gehabt und gewonnen. Dann haben wir schon in der Kabine mit Bier trinken angefangen. Anschließend sind wir erst in unser Stammlokal und später in die Stadt zum feiern. Über den Abend verteilt habe ich 10 große Bier, zwei Longdrinks und einige Shots getrunken. Dann habe ich mich mal wieder aufs Fahrrad gesetzt um nach Hause zu fahren, so ca. gegen 3.30 Uhr und bin von einer Streife auf Alkohol kontrolliert worden. Mit über 2.4 Promille. Nach der Trunkenheitsfahrt war ich erstmal sauer, dass der Führerschein weg war. Ich habe mein eigenes Verhalten auch ein wenig relativiert – denn ich war ja schließlich „nur“ Fahrrad gefahren.

3. Was ist heute?

Mit dem Studium und den Seminaren zu Drogen und Sucht habe ich mein eigenes Verhalten stark hinterfragt.
Das war Ende 2016. Nach einer gewissen Reflektionsphase, wo ich mich viel mit den Fakten auseinandergesetzt habe, habe ich die vielen Übereinstimmungen erkannt und mit ein problematisches Konsummuster eingestanden. Hinzu kam auch die Trunkenheitsfahrt. Nicht nur, dass ich eine Straftat begangen habe, im Endeffekt habe ich auch mein Leben und das Leben anderer gefährdet.

[Es ist wichtig, die Einsicht zu begründen. Dass man sein eigenes Verhalten bereut und durch die Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr eine Gefährdung war, sollte man zugeben.]

Im Zuge der Einsicht habe ich versucht meinen Alkoholkonsum zu begrenzen. Erst auf 2-3 mal im Monat, später nur noch zu besonderen Anlässen. Mannschaftsfeiern, Geburtstage etc. Dann war ich in Indonesien, einem muslimischen Land im Urlaub und habe gemerkt, es geht auch ganz ohne. Das war im Sommer 2018, für drei Wochen. Nach dem Urlaub habe ich komplett aufgehört zu trinken.

Im Studium lief es da schon gut, nebenbei habe ich eine kleine Firma mit zwei Freunden gegründet. Es lief zu der Zeit alles glatt, ich war erfolgreich im Studium und bei der Arbeit, fühlte mich körperlich fitter und war auch besser gelaunt.

[Die positiven Aspekte der Abstinenz werden betont: Erfolg im Studium, bei der Arbeit, die bessere körperliche Kondition und mehr Zufriedenheit]

Irgendwann erzählte ein Freund, dass er sich ein neues Auto gekauft habe und da dachte ich <<Mensch, eigentlich könntest du dir deinen Führerschein auch wiederholen>>, habe meinen Abstinenznachweis begonnen und jetzt bin ich hier, bei Ihnen, und erkläre, warum es keine begründeten Zweifel mehr an meiner Fahrtauglichkeit gibt.

4. Was ist in Zukunft?

Und in Zukunft? Wollen sie da wieder trinken?

Vielleicht werde ich zu besonderen Anlässen mal wieder anstoßen, in jedem Fall möchte ich meinen Umgang mit Alkohol nie wieder problematisch werden lassen.

5. Notfallstrategien?

Und wenn z.B. eine weitere Krebsdiagnose käme, oder die Firma pleite geht?

Auch dann bin ich optimistisch, nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen. Denn ich habe gelernt, dass Alkohol nicht die Lösung ist, um Probleme zu bewältigen. Ich habe den Sport wiederentdeckt und gelernt mich zu öffnen. Grundsätzlich fällt es mir jetzt leichter, über alles zu reden. Vor ein paar Monaten ist mein Großvater gestorben – mit ihm habe ich vor allem in meiner Kindheit viel Zeit verbracht. Statt wie evtl. früher mit Kumpels in die Kneipe zu gehen, habe ich das Gespräch mit meinem besten Freund gesucht. Wir schwelgten in Erinnerungen und ich habe viel geweint – doch anschließend ging es mir viel besser. So konnte ich auch in der schwierigen Zeit eine Stütze für meine Oma sein, worauf ich im nachhinein stolz bin.

[Der Proband beweist mit seinen Aussagen, dass das Verhalten gefestigt ist. Er hat Strategien (Mit bestem Freund reden) entwickelt, um schwierige Situationen zu meistern.]

Sollte es doch einmal wieder schwieriger werden, werde ich mir auf jeden Fall professionelle Hilfe von einem Psychologen suchen. Ich habe meinen besten Freund und meine Mutter gebeten mit darauf zu achten, und das Gespräch zu suchen, sollte ihnen Veränderungen bei mir, vor allem, was das Trinkverhalten angeht, auffallen.

[Hier verdeutlicht der Proband nochmal, wie ernst es ihm ist. Er hat eine wirksame Notfallstrategie entwickelt und sein Umfeld eingeweiht.]